So geht es weiter:
„Fein, dass ich Sie treffe, Frau Bergmann. Ich habe ein Problem, bei dem Sie mir vielleicht helfen können.“
„Dann kann es sich nur um eine Frage rund um den Computer handeln, Herr Angerhaus.“
„Ja, stimmt. Ich habe gehört, dass Sie Fachfrau sind.“
„Sehr schmeichelhaft, um was geht’s?“
Friedhelm Angerhaus hatte Ruth angesprochen, als beide den Frühstücksraum verließen. Morgens war es der Frühstücksraum, nachmittags und abends die Cafeteria. Das Angerhaus’sche Problem war schnell gelöst, aber Angerhaus blieb an Ruths Seite.
„Sie haben mit Herrn Wunderlich über Gloria gesprochen, habe ich von ihm gehört.“
„Ja. Stimmt. Sie ist leider so traurig geendet und ich wusste nicht viel von ihr. Hatte im Grunde nur Kontakt mit ihr bei der Séance in Weimar, bei der sie anschließend …“
„Nach der man sie umgebracht hat.“ Ruth hatte den Eindruck, dass Friedhelm Angerhaus gern über Gloria sprechen wollte, er hatte sie bekanntermaßen verehrt. Sie sah ihn also forschend an, er hatte so einen verschmitzten Ausdruck im Gesicht, um die Mundwinkel und in den blauen Augen. Passte gar nicht zu dem ernsten Thema. War vielleicht seine Grundhaltung dem Leben gegenüber. Er redete weiter. „Ich kannte sie in erster Linie aus den Treffen mit Frau Kolb. Das ist eine so interessante Runde.“
Ruth hörte aufmerksam zu, das interessierte sie wirklich. Leider, leider war man am Aufzug angekommen, aber Ruth konnte in der Fahrstuhlkabine noch sagen: „Frau Kolb hat mich kürzlich angesprochen, ob ich nicht einmal mitmachen möchte.“
„Das sollten Sie tun, es eröffnen sich ganz neue Welten.“ Ruth fasste allen Mut zusammen und fragte: „Könnten Sie mir im Ausgleich zur Computerfrage darüber etwas erzählen?“
„Aber gern, nachmittags in der Cafeteria? Fünfzehn Uhr?“
„Abgemacht.“ Ein Bündel von Neuigkeiten erwartet mich – hoffte Ruth.
Friedhelm Angerhaus hatte
einen Platz am Fenster ergattert und winkte heftig, als Ruth hereinkam. Er war
wie immer guter Laune und seine blauen Augen funkelten mit den Sonnenstrahlen
um die Wette – dachte Ruth. Er war einer aus der jüngeren Riege im Haus am
Kirchberg, einer der wenigen Jeansträger, oft ein schwarzes Hemd dazu. Flotte
Jacken und Westen, je nach Anlass. Und – selten hier im Haus – volles, immer
noch blondes Haar. Merkwürdig, dass Gloria so wenig Interesse an ihm gehabt
hatte. Oder doch?
Sie lebten hier in einem Haus
voller Geheimnisse. Wer mit wem etwas unternahm, was und wo – darüber tratschte
man gern. Wer wen schon früher gekannt hatte oder vielleicht irgendwelche
längst verstorbenen Familienangehörigen, woher manche Abneigungen stammen
könnten – darüber wurde gerätselt. Es diente jedenfalls der Unterhaltung beim
abendlichen Gläschen Wein in der Cafeteria.
Ruth konnte in Ruhe darüber nachdenken, denn Angerhaus war zur Kuchentheke gegangen, um die Torten auszusuchen, die sie gleich verspeisen würden.
„Erledigt“, sagte er und schwenkte die Zettelchen, auf denen die Bestellungen vermerkt waren. Wieder fiel Ruth der verschmitzte Ausdruck auf, anscheinend hatte er den immer.
„Esoterik bei Kaffee und Kuchen im hellen Sonnenschein, passt denn das zusammen?“, fragte Ruth ein wenig provokant. „Ich stelle mir da eher einen Abend mit fahlem Kerzenschein vor.“
„Wir sind da nicht so festgelegt und außerdem wollen wir ja nur darüber reden. Sozusagen ohne Anfassen.“ Angerhaus grinste. Anfassen? Nein danke.
„Eigentlich geht es bei unseren Treffen eher selten um Esoterik, das ist nicht mein Interessensgebiet. Wir sprechen viel darüber, was wohl die Menschen in früheren Jahrtausenden gedacht und geglaubt haben – haben könnten, denn Aufzeichnungen gibt es nicht, außer natürlich Felszeichnungen. Ich meine nicht die wundervollen Tierbilder aus der Altsteinzeit, so weit gehen wir nicht zurück. Nein, das, was man in den Megalithbauten sehen kann.“ Böhmische Dörfer.
„Das scheinen mir Themen zu sein, die Sie faszinieren, ich höre die Begeisterung heraus. Aber leider, da kann ich nicht mithalten. Wie ich schon Frau Kolb gestanden habe – bei mir beginnt die Geschichte bei den Römern.“
„Sicher interessant, ganz sicher. Aber längst nicht so geheimnisvoll wie die Zeit, die uns am Herzen liegt. Das Geheimnisvolle, das ist das, was uns reizt. Man weiß nichts Genaues und so hat jeder die Möglichkeit, eigene Gedanken dazu zu entwickeln.“
Das war eigentlich auch nach Ruths Geschmack, sie konnte sich an Gespräche mit Eveline erinnern, als sie sich eigene Gedanken zu allem Möglichen gemacht hatten. Sie musste lachen, was Angerhaus aber missverstand.
„Das ist eigentlich ein ernstes Thema, liebe Frau Bergmann. Was erheitert Sie denn daran?“
„Bitte entschuldigen Sie, aber ich dachte an die eine oder andere Verschwörungstheorie, die meine Freundin Eveline und ich entwickelt haben.“
„Verschwörungstheorien, na, ja, so weit liegt das nicht auseinander. Aber wir haben auch Fakten, auf denen wir fußen.“ Ruth war höflich und blieb aufmerksam.
„Nehmen wir mal die Theorien über die geraden Wege.“
„Gerade Wege. Römerstraßen zum Beispiel sind ausgesprochen gerade Wege.“
„Meine geraden Wege sind um einiges älter, sicher haben die Römer oft nur etwas weitergeführt, was es bereits gab.“
„Und was hat es mit Ihren Straßen auf sich?“
„Ich habe mal eine Studienreise nach England mitgemacht, die sich diesen Wegen widmete. Wir sind über sie gewandert. Dass sie eine Bedeutung haben, sieht man schon daran, dass häufig Gräber – vielleicht Kultstätten – an ihrem Rand liegen.“
„Das sind Dinge, von denen ich gar keine Ahnung habe.“
„Ich kann Ihnen gern Literatur dazu ausleihen.“
„Mal sehen.“
Ruth war verblüfft über die Begeisterung und die Kenntnisse von Angerhaus. Sie hatte gedacht, er sei nur Teilnehmer der Runden bei Frau Kolb, um Gloria näher sein zu können. Er hatte das eine mit dem andern verbunden.
Ruth konnte in Ruhe darüber nachdenken, denn Angerhaus war zur Kuchentheke gegangen, um die Torten auszusuchen, die sie gleich verspeisen würden.
„Erledigt“, sagte er und schwenkte die Zettelchen, auf denen die Bestellungen vermerkt waren. Wieder fiel Ruth der verschmitzte Ausdruck auf, anscheinend hatte er den immer.
„Esoterik bei Kaffee und Kuchen im hellen Sonnenschein, passt denn das zusammen?“, fragte Ruth ein wenig provokant. „Ich stelle mir da eher einen Abend mit fahlem Kerzenschein vor.“
„Wir sind da nicht so festgelegt und außerdem wollen wir ja nur darüber reden. Sozusagen ohne Anfassen.“ Angerhaus grinste. Anfassen? Nein danke.
„Eigentlich geht es bei unseren Treffen eher selten um Esoterik, das ist nicht mein Interessensgebiet. Wir sprechen viel darüber, was wohl die Menschen in früheren Jahrtausenden gedacht und geglaubt haben – haben könnten, denn Aufzeichnungen gibt es nicht, außer natürlich Felszeichnungen. Ich meine nicht die wundervollen Tierbilder aus der Altsteinzeit, so weit gehen wir nicht zurück. Nein, das, was man in den Megalithbauten sehen kann.“ Böhmische Dörfer.
„Das scheinen mir Themen zu sein, die Sie faszinieren, ich höre die Begeisterung heraus. Aber leider, da kann ich nicht mithalten. Wie ich schon Frau Kolb gestanden habe – bei mir beginnt die Geschichte bei den Römern.“
„Sicher interessant, ganz sicher. Aber längst nicht so geheimnisvoll wie die Zeit, die uns am Herzen liegt. Das Geheimnisvolle, das ist das, was uns reizt. Man weiß nichts Genaues und so hat jeder die Möglichkeit, eigene Gedanken dazu zu entwickeln.“
Das war eigentlich auch nach Ruths Geschmack, sie konnte sich an Gespräche mit Eveline erinnern, als sie sich eigene Gedanken zu allem Möglichen gemacht hatten. Sie musste lachen, was Angerhaus aber missverstand.
„Das ist eigentlich ein ernstes Thema, liebe Frau Bergmann. Was erheitert Sie denn daran?“
„Bitte entschuldigen Sie, aber ich dachte an die eine oder andere Verschwörungstheorie, die meine Freundin Eveline und ich entwickelt haben.“
„Verschwörungstheorien, na, ja, so weit liegt das nicht auseinander. Aber wir haben auch Fakten, auf denen wir fußen.“ Ruth war höflich und blieb aufmerksam.
„Nehmen wir mal die Theorien über die geraden Wege.“
„Gerade Wege. Römerstraßen zum Beispiel sind ausgesprochen gerade Wege.“
„Meine geraden Wege sind um einiges älter, sicher haben die Römer oft nur etwas weitergeführt, was es bereits gab.“
„Und was hat es mit Ihren Straßen auf sich?“
„Ich habe mal eine Studienreise nach England mitgemacht, die sich diesen Wegen widmete. Wir sind über sie gewandert. Dass sie eine Bedeutung haben, sieht man schon daran, dass häufig Gräber – vielleicht Kultstätten – an ihrem Rand liegen.“
„Das sind Dinge, von denen ich gar keine Ahnung habe.“
„Ich kann Ihnen gern Literatur dazu ausleihen.“
„Mal sehen.“
Ruth war verblüfft über die Begeisterung und die Kenntnisse von Angerhaus. Sie hatte gedacht, er sei nur Teilnehmer der Runden bei Frau Kolb, um Gloria näher sein zu können. Er hatte das eine mit dem andern verbunden.
Inzwischen waren die
Tortenstücke verputzt, der Kaffee ausgetrunken und Ruth war noch weit von dem
Thema entfernt, das sie bei Angerhaus anschneiden wollte: Gloria Molenbeck.
Aber eigentlich müsste das leicht sein, denn er hatte sie offensichtlich
verehrt. Also …
„Ich mache mal einen Sprung zurück ins Hier und Jetzt; ich wollte Sie fragen, ob Sie den Umkreis von Gloria Molenbeck kennengelernt haben.“
„Ach, wozu wollen Sie das denn wissen?“
Ruth gab sich einen Ruck und war ehrlich. „Ich bin von einem Freund der Frau, die wegen des Mordes an Frau Molenbeck im Gefängnis ist, gebeten worden, etwas mehr über Frau Molenbeck herauszufinden. Ein Mord geschieht nicht einfach so, in den meisten Fällen hat er etwas mit dem Leben des Opfers zu tun. Und ich weiß so gar nichts über sie.“
Angerhaus war ganz still geworden, seine Hochstimmung war dahin.
„Ja, da mögen Sie wohl Recht haben. Ich habe auch darüber nachgedacht, wer Gloria das angetan hat. Sie hat keine Verwandten, ihre Männer sind alle tot. Das hat sie jedenfalls gesagt. Und hier im Haus kannte sie niemanden näher. Auch darüber haben wir gesprochen. Ab und zu nahm sie sich mal Zeit für mich und ließ sich von meinen Reisen in die Vergangenheit erzählen. Wir hatten ein ganz besonderes Verhältnis zueinander. Meine Erklärung ist die, dass die Freundin aus alten Tagen einen Grund hatte. Frau Ludwig hat mir von dem Fortgang in Weimar erzählt, sie hat weiter Verbindung zu der Pension, in der sich alles abgespielt hat.“
Nix bleibt verborgen im Haus am Kirchberg.
„Ich mache mal einen Sprung zurück ins Hier und Jetzt; ich wollte Sie fragen, ob Sie den Umkreis von Gloria Molenbeck kennengelernt haben.“
„Ach, wozu wollen Sie das denn wissen?“
Ruth gab sich einen Ruck und war ehrlich. „Ich bin von einem Freund der Frau, die wegen des Mordes an Frau Molenbeck im Gefängnis ist, gebeten worden, etwas mehr über Frau Molenbeck herauszufinden. Ein Mord geschieht nicht einfach so, in den meisten Fällen hat er etwas mit dem Leben des Opfers zu tun. Und ich weiß so gar nichts über sie.“
Angerhaus war ganz still geworden, seine Hochstimmung war dahin.
„Ja, da mögen Sie wohl Recht haben. Ich habe auch darüber nachgedacht, wer Gloria das angetan hat. Sie hat keine Verwandten, ihre Männer sind alle tot. Das hat sie jedenfalls gesagt. Und hier im Haus kannte sie niemanden näher. Auch darüber haben wir gesprochen. Ab und zu nahm sie sich mal Zeit für mich und ließ sich von meinen Reisen in die Vergangenheit erzählen. Wir hatten ein ganz besonderes Verhältnis zueinander. Meine Erklärung ist die, dass die Freundin aus alten Tagen einen Grund hatte. Frau Ludwig hat mir von dem Fortgang in Weimar erzählt, sie hat weiter Verbindung zu der Pension, in der sich alles abgespielt hat.“
Nix bleibt verborgen im Haus am Kirchberg.
Später ließ Ruth alles Revue
passieren, was sie am Nachmittag gehört hatte. Sie befand sich in einem leicht
euphorischen Zustand und wusste nicht recht, ob es an den Themen oder an
Angerhaus lag.
Leseproben Unter Verdacht
Leseproben Unter Verdacht
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